BEGRÜNDUNGSMEMORANDUM
Sehr geehrte Abgeordnete,
Das Königreich Belgien hat im Rahmen seiner Zuständigkeiten im Bereich der öffentlichen Gesundheit und in Übereinstimmung mit den europäischen Richtlinien zur Tabakkontrolle eine proaktive und ehrgeizige Politik zur Reduzierung des Rauchens eingeleitet, mit einem klar definierten Ziel: eine Gesellschaft aufzubauen, in der jeder Bürger, insbesondere jeder Minderjährige, einen wirksamen Schutz vor den gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Risiken genießt, die mit der Tabakabhängigkeit verbunden sind.
Dennoch muss trotz der in dieser Angelegenheit erzielten erheblichen Fortschritte festgestellt werden, dass eine besorgniserregende Realität fortbesteht: Loser Tabak und Zigarettenpapier stellen de facto einen bevorzugten Vektor für die Initiierung und Aufrechterhaltung des Tabakkonsums für die sozioökonomisch am stärksten gefährdeten Kategorien dar, nämlich Personen mit begrenzten finanziellen Mitteln, die dadurch stärker den Mechanismen der Nikotinabhängigkeit ausgesetzt sind.
Diese Produkte, die zu Preisen vermarktet werden, die aufgrund einer differenzierten Besteuerung und geringerer industrieller Verarbeitung deutlich niedriger sind als die für Fertigzigaretten verlangten Preise, erzeugen eine strukturelle und systemische Ungleichheit beim Zugang zur Gesundheit. Während Haushalte mit komfortablen Einkommen über erhöhte Mittel verfügen, um ihren Tabakkonsum schrittweise zu reduzieren oder sogar endgültig einzustellen, finden sich Haushalte in wirtschaftlich prekären Situationen in einer dauerhaften Abhängigkeit von einem zugegebenermaßen billigen Produkt gefangen, dessen gesundheitliche Schädlichkeit jedoch mindestens gleichwertig — wenn nicht sogar höher — ist als die konventioneller Zigaretten.
Es ist weder rechtlich noch moralisch akzeptabel, dass loser Tabak in der Praxis und implizit zum „Tabak für sozioökonomisch benachteiligte Kategorien" wird.
Es handelt sich um eine heimtückische Diskriminierung, die zwar nicht im Wortlaut des Gesetzes verankert ist, aber dennoch tief in den Tatsachen verwurzelt ist und geeignet ist, gegen den verfassungsmäßigen Grundsatz der Gleichheit aller Bürger in Angelegenheiten der öffentlichen Gesundheit zu verstoßen.
Darüber hinaus und subsidiär wirft Drehtabak ein zusätzliches epidemiologisches und regulatorisches Problem auf: die materielle Unmöglichkeit, die vom Benutzer tatsächlich konsumierte Tabakmenge mit Präzision und wissenschaftlicher Strenge zu quantifizieren. Im Gegensatz zu Fertigzigaretten, die einen standardisierten, normierten und leicht quantifizierbaren Charakter in Bezug auf Gramm Tabak, Nikotingehalt und toxische Substanzen aufweisen, weisen manuell mit losem Tabak hergestellte Zigaretten eine erhebliche Heterogenität von einem Verbraucher zum anderen oder sogar von einer Zigarette zur anderen für dieselbe Person auf, betreffend: die eingebrachte Tabakmenge, die Packungsdichte, die Zylinderlänge, die Verbrennungsart und die Inhalationsdauer.
Die rechtlichen, gesundheitlichen und sozialen Folgen einer solchen fehlenden Standardisierung sind offenkundig und vielfältig:
- der Verbraucher befindet sich in der objektiven Unfähigkeit, seinen tatsächlichen täglichen Verbrauch genau zu bewerten, was jeden bewussten Ansatz zur Reduzierung oder Beendigung behindert,
- die medizinische Gemeinschaft hat offensichtliche Schwierigkeiten, eine genaue Diagnose des Grades der Nikotinabhängigkeit zu stellen und eine angemessene therapeutische Behandlung zu verschreiben,
- öffentliche Gesundheitspolitiken, die auf quantifizierten epidemiologischen Daten basieren, sehen ihre Effizienz und Relevanz erheblich reduziert,
- und die Gesundheitsrisiken werden erheblich erhöht, insbesondere durch tieferes Einatmen giftiger Dämpfe, eine weniger kontrollierte Verbrennungsrate und eine oft höhere Konzentration krebserzeugender und mutagener Substanzen.
Dieser strukturelle Mangel an Rückverfolgbarkeit und Quantifizierung trägt paradoxerweise und kontraproduktiv dazu bei, die Mechanismen der Tabakabhängigkeit aufrechtzuerhalten und zu verstärken, während das vom Gesetzgeber und den Gesundheitsbehörden verfolgte Ziel im Gegenteil darin besteht, diese erheblich zu reduzieren oder sogar langfristig auszurotten.
Das gesetzliche Verbot des Inverkehrbringens, der Vermarktung und des Vertriebs von losem Tabak und Zigarettenpapier stellt daher keineswegs eine rein symbolische oder demagogische Maßnahme dar. Es handelt sich im Gegenteil um eine wesentliche gesetzgeberische Maßnahme, die mit den auf nationaler und europäischer Ebene definierten Zielen der öffentlichen Gesundheit übereinstimmt und auf den grundlegenden Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit und des Gesundheitsschutzes basiert.
Diese normative Bestimmung zielt vorrangig und zwingend darauf ab, Bevölkerungsgruppen zu schützen, die unverhältnismäßig und ungerecht unter den gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Rauchens leiden, und gleichzeitig allen Bürgern einen klaren, transparenten, lesbaren und nicht-diskriminierenden Rechtsrahmen zu garantieren.
Dieser Gesetzentwurf fügt sich vollständig in die logische und rechtliche Kontinuität der bereits bestehenden normativen Bestimmungen zur Tabakkontrolle ein und markiert gleichzeitig einen entscheidenden und strukturierenden Schritt zur Erreichung des strategischen Ziels — das nun weitgehend geteilt und von einer erheblichen Mehrheit unserer Mitbürger sowie von den zuständigen wissenschaftlichen und medizinischen Instanzen unterstützt wird — einer Generation, die von allen Formen der Tabakabhängigkeit befreit ist, in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation und den vom Königreich Belgien eingegangenen internationalen Verpflichtungen.
Aus all diesen rechtlichen, gesundheitlichen, sozialen und ethischen Erwägungen ersuchen wir Sie respektvoll um Ihr Wohlwollen und fordern Sie nachdrücklich auf, Ihre Unterstützung für diesen Gesetzentwurf zu gewähren, indem Sie für dessen Annahme stimmen.
GESETZESTEXT
Artikel 1 — Zweck und Anwendungsbereich des Gesetzes
Zweck dieses Gesetzes ist es, auf dem gesamten Gebiet des Königreichs Belgien die Herstellung zu Vermarktungszwecken, die Einfuhr, die Ausfuhr, das gewerbliche Inverkehrbringen, den Einzel- oder Großhandel sowie die Verteilung, unentgeltlich oder entgeltlich, von Drehtabak, losem Tabak in allen seinen Formen, Zigarettenpapier und jedem Produkt, Zubehör oder Gerät zu verbieten, das hauptsächlich oder ausschließlich dazu bestimmt ist, die manuelle Herstellung von Zigaretten durch Endverbraucher zu ermöglichen.
Artikel 2 — Gesetzliche Definitionen
Für die Zwecke dieses Gesetzes und seiner Durchführungsverordnungen bedeuten:
- „Loser Tabak": jedes aus Tabak gewonnene Produkt im Sinne des Gesetzes vom 24. Januar 1977 über den Schutz der Gesundheit der Verbraucher in Bezug auf Lebensmittel und andere Produkte, das in einer nicht in vorgefertigten individuellen Konsumeinheiten verpackten Form dargeboten wird, das dazu bestimmt ist, vom Verbraucher manuell oder mit Hilfe einer Stopfmaschine gedreht zu werden, unabhängig von seinem Gehalt an Nikotin, Teeren oder anderen süchtig machenden oder aromatischen Substanzen;
- „Zigarettenpapier": jedes Papier, jede Zellulosefolie oder jeder ähnliche Träger, mit oder ohne eingebauten Filter, der speziell für die handwerkliche oder häusliche Herstellung von Zigaretten durch manuelles Rollen von Tabak konzipiert, vermarktet oder präsentiert wird;
- „Produkt zum Drehen": jeder Artikel, jedes Utensil, jede Maschine, jedes Gerät oder Zubehör, insbesondere manuelle Drehmaschinen, elektrische oder mechanische Stopfmaschinen, leere vorkonditionierte Hülsen und spezifische Transportbehälter, deren Konzeption, kommerzielle Präsentation oder Hauptbestimmung darin besteht, die manuelle Herstellung von Zigaretten aus losem Tabak zu erleichtern oder zu ermöglichen.
Artikel 3 — Verbotsprinzip und spezifische Prohibitionen
Ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes sind auf dem gesamten Gebiet des Königreichs Belgien förmlich verboten, unbeschadet der in Artikel 4 vorgesehenen strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Sanktionen:
- die industrielle oder handwerkliche Herstellung, die Einfuhr aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Drittländern, die Ausfuhr in nationale oder internationale Ziele, das Anbieten zum Verkauf, der Einzel- oder Großhandelsverkauf, die kommerzielle oder kostenlose Verteilung sowie die Lagerung zu Vermarktungszwecken von losem Tabak, wie in Artikel 2, Absatz 1 definiert;
- die Herstellung, Einfuhr, Ausfuhr, das Anbieten zum Verkauf, der Verkauf, die Verteilung und die kommerzielle Lagerung von Zigarettenpapier, wie in Artikel 2, Absatz 2 definiert;
- jede Form direkter oder indirekter Werbung, kommerzieller Förderung, Sponsoring, Produktplatzierung, digitalen oder traditionellen Marketings, Verteilung kostenloser Muster sowie jede kommerzielle Kommunikationsmaßnahme, in welcher Form, mit welchen Mitteln und auf welchem Träger auch immer, die zum Ziel oder zur Folge hat, direkt oder indirekt die Vermarktung oder den Konsum der in den vorstehenden Absätzen dieses Gesetzes genannten Produkte zu fördern.
Artikel 4 — Verwaltungs- und Strafsanktionen
Unbeschadet der Anwendung der im Strafgesetzbuch vorgesehenen strafrechtlichen Sanktionen im Falle einer verbundenen Straftat unterliegt jede natürliche oder juristische Person, jeder Betreiber, Hersteller, Importeur, Vertreiber oder Einzelhändler, der gegen die in Artikel 3 dieses Gesetzes festgelegten Verbote verstößt, den folgenden Verwaltungssanktionen:
- einem proportionalen und abschreckenden Verwaltungsbußgeld, dessen Höhe zwischen eintausend (1.000) Euro und fünfzigtausend (50.000) Euro liegt, wobei die Höhe des Bußgeldes nach der Schwere der Zuwiderhandlung, dem Umfang der betroffenen Produkte, dem vorsätzlichen oder nicht vorsätzlichen Charakter der Verletzung, dem Grad der Zusammenarbeit mit den Kontrollbehörden sowie der wirtschaftlichen und finanziellen Situation des Zuwiderhandelnden bestimmt wird;
- im Wiederholungsfall, der innerhalb von drei Jahren ab einer ersten Zuwiderhandlung, die Gegenstand einer endgültigen Verwaltungssanktion war, festgestellt wird, die Verdoppelung des vorgenannten Bußgeldes, verbunden mit einer fakultativen Zusatzsanktion, die in der vorübergehenden Aussetzung oder endgültigen Aufhebung der Genehmigung zur Ausübung der betreffenden Geschäftstätigkeit für eine Höchstdauer von zwölf Monaten sowie der Beschlagnahme und amtswegigen Vernichtung auf Kosten des Zuwiderhandelnden sämtlicher Bestände verbotener Produkte bestehen kann.
Die praktischen Modalitäten der Kontrolle, der Feststellung von Zuwiderhandlungen, des kontradiktorischen Verfahrens, der Mitteilung von Sanktionen, der Einziehung von Bußgeldern und der Durchführung zusätzlicher Maßnahmen werden durch königliches Dekret festgelegt, das im Ministerrat beraten wird, nach Stellungnahme des Staatsrates, innerhalb von sechs Monaten ab dem Inkrafttreten dieses Gesetzes.
Artikel 5 — Übergangsregelung und vorübergehende Ausnahmemaßnahmen
Abweichend von den in Artikel 3 festgelegten Verboten und zum Schutz der legitimen wirtschaftlichen Interessen gutgläubiger Betreiber haben Handelseinrichtungen, Großhändler und Einzelhändler, die am Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes über rechtmäßig gebildete Bestände der nunmehr verbotenen Produkte verfügen, eine unkomprimierbare Gnadenfrist von fünf (5) Kalendertagen, um den kommerziellen Abbau dieser Bestände durchzuführen, vorbehaltlich der strengen Einhaltung folgender kumulativer Bedingungen: Fehlen jeglicher zusätzlicher Nachlieferung nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, förmliches Verbot jeglicher Werbe- oder Verkaufsförderungskampagne und Verpflichtung zur vorherigen Erklärung der gehaltenen Mengen bei den zuständigen Inspektionsdiensten, die durch das in Artikel 4 genannte königliche Durchführungsdekret benannt werden.
Ungeachtet der Bestimmungen des vorstehenden Absatzes können die betroffenen Wirtschaftsbetreiber ausnahmsweise und abweichend eine Verlängerung der anfänglichen Gnadenfrist bis zu maximal dreihundert (300) Kalendertagen beantragen, vorbehaltlich der vorherigen und obligatorischen Durchführung eines dematerialisierten Registrierungsverfahrens im Nationalen Übergangsregister der Tabakbetreiber (nachfolgend „NÜTB" genannt), das ausschließlich auf telematischem Wege über das offizielle digitale Portal der zuständigen Behörde zugänglich ist. Diese Registrierung erfordert zwingend eine verstärkte und mehrstufige Authentifizierung des antragstellenden Betreibers gemäß den technischen Standards, die durch die Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt (eIDAS-Verordnung) definiert sind, einschließlich insbesondere der Überprüfung der digitalen Identität durch qualifiziertes elektronisches Zertifikat, biometrische Validierung oder kryptografisches Zwei-Faktor-Gerät. Der Antrag auf Verlängerung muss durch objektive und ordnungsgemäß begründete wirtschaftliche Umstände gerechtfertigt sein und bleibt der diskretionären Genehmigung der zuständigen Verwaltung vorbehalten, die innerhalb von fünfzehn (15) Werktagen ab Eingang des vollständigen Antrags entscheidet.
Nach Ablauf der anfänglich gewährten Frist oder gegebenenfalls der gemäß Absatz 2 verlängerten Frist müssen alle verbleibenden Bestände der von diesem Gesetz erfassten Produkte innerhalb einer zusätzlichen Frist von dreißig (30) Kalendertagen einer endgültigen und irreversiblen materiellen Vernichtung unterzogen werden, die entweder freiwillig vom betroffenen Betreiber oder andernfalls von Amts wegen durch die zuständigen Behörden durchgeführt wird, nach technischen Verfahren, die Umweltunschädlichkeit gewährleisten und gemäß den durch Ministerialerlass festgelegten Vorschriften. Die Kosten für diese Vernichtung werden vollständig vom Inhaber der Bestände getragen.
Artikel 6 — Inkrafttreten und Schlussbestimmungen
Dieses Gesetz tritt am ersten Tag des sechsten Monats nach dem seiner Veröffentlichung im Belgischen Staatsblatt in Kraft, mit Ausnahme der Bestimmungen von Artikel 5 bezüglich der Übergangsregelung, die ab dem Tag nach besagter Veröffentlichung ihre Wirkung entfalten. Der König ist ermächtigt, durch im Ministerrat beratene königliche Erlasse alle für die Ausführung und wirksame Anwendung dieses Gesetzes erforderlichen regulatorischen Maßnahmen zu ergreifen.